„Das eigene Geschäftsmodell neu denken“: Unter diesem Fokus hat die Wirtschaftsagentur Wien mit dem Creators Lab während des Forward Festivals 2017 in Wien Gründerinnen, Jungunternehmer, Start-ups und erfahrene Unternehmen unterschiedlicher Kreativbranchen an einen Tisch gebracht.

 

Mit dem unkonventionellen Werber Fredrik Öst von der schwedischen Kreativagentur Snask, dem Branding-, Produktinnovations- und Nachhaltigkeits-Profi Pascal Dulex des Taschenlabels FREITAG und Codec des Berliner Design- und Animationsstudios Pfadfinderei wurden unternehmerische Stolpersteine und Erfolgsrezepte erläutert, Potenziale erkannt und Lösungsansätze gefunden. Gegenseitiges Lernen und Wissensaustausch ebenso wie eine bunte Mischung der Teilnehmerinnen, Branchen und Geschäftsmodelle waren zentrale Aspekte des Workshops.

 

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Fredrik Öst von SNASK © jmvotography

 

Der betriebswirtschaftlichen Rahmen wurde methodisch mit dem „Business Model Canvas“-Ansatz (BMC) gesetzt. Die Methode hilft dabei, einen Überblick über die wichtigsten Schlüsselfaktoren eines erfolgreichen und innovativen Geschäftsmodells zu erhalten und auf dessen Basis einen guten Businessplan ableiten zu können.

 

Das Creators Lab wurde als „ergebnisoffenes“ Format konzipiert, d.h. die Teilnehmenden werden sozusagen in die Selbstverantwortung entlassen, das gelernte Wissen im eigenen Geschäftsalltag umzusetzen.

 

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Natascha Muhic beim Vinylographen (Juni 2016) © eSeL Lorenz Seidler

 

Die Künstlerin Natascha Muhic hat zusammen mit dem Künstler und Mechatronikermeister Christoph Freidhöfer den Vinylographen entwickelt, ein Automat, mit dem Mitschnitte direkt auf Schallplatte aufgezeichnet werden können. Er ist angelehnt an die Voice-O-Graphen – Automaten in der Größe einer Telefonzelle, die ab den 1940er Jahren vor allem in den USA populär waren. Mit Ende der 1960er wurde die Produktion weltweit eingestellt und die Automaten verschwanden aus dem Stadtbild. Der Vinylograph verfolgt den Anspruch, diesen Verlust von öffentlich zugänglichen Produktionsmitteln zur Vinylherstellung und Möglichkeiten des Selbermachens auszugleichen. Ursprünglich Diplomarbeitsprojekt von Natascha bzw. Meisterstück von Christoph, gründen die beiden 2017 daraus ein Unternehmen.

 

Natascha Muhic hat ihre Erfahrungen aus dem Creators Lab mit uns geteilt:

 

Natascha, ihr entwickelt mit dem Vinylographen ein spannendes Produkt, das auf einen aktuellen Trend reagiert. Was kannst du uns darüber erzählen?

 

Durch den Vinylboom der letzten Jahre und den damit verbundenen Engpässen bei den Produktionsstätten wird es für Musikerinnen und Musiker immer schwieriger Kleinauflagen zu produzieren. Wurden die Pressmaschinen vor dem Jahr 2000 hauptsächlich mit der Produktion von Kleinserien – vor allem aus dem elektronischen Bereich – am Leben erhalten, sind diese nun vollkommen mit der Massenproduktion der Major-Produktionen ausgelastet. Mit Hilfe des Vinylographen wird es Musikschaffenden wieder möglich, zeitnah eigene Vinylunikate zu produzieren und sich somit individuell am Musikmarkt zu präsentieren.

 

Wie ist es, als Künstlerin unternehmerisch tätig zu sein?

Vieles aus meinem „Kunst-Alltag“ kann ich jetzt auch in meinen „Geschäfts-Alltag“ miteinbringen (Musik, Video, Typo, Druck usw.). Das ist gut, denn gerade jetzt in der Gründungsphase bleibt nicht viel Zeit für die Kunst.

 

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Vinylograph Juni 2016 © Christoph Freidhöfer

 

Was sind für dich die größten Herausforderungen beim Gründen?

Die größte Herausforderung war und ist es immer noch, auf den Markt zu kommen bzw. sich dort zu etablieren.

 

Du hast im Rahmen des Creators Lab die Management-Methode „Business Modell Canvas“ (BMC) kennen gelernt. Hast du die BMC als hilfreich empfunden? Wenn ja, warum oder warum nicht?

Für mich als visuellen Typen ist der Canvas-Ansatz sehr hilfreich. Mit der Business Modell Canvas-Methode lassen sich Geschäftsmodelle übersichtlich darstellen und weiterentwickeln. Die Canvas skizziert die neun zentralen Faktoren für den Erfolg eines Geschäftsmodells (Kundensegmente, Werteversprechen, Kanäle, Kundenbeziehungen, Einnahmequellen, Schlüsselressourcen, Schlüsselaktivitäten, Schlüsselpartner, Kostenstruktur). Statt sich in langen Ausführungen zu verlieren, sieht man mit der Methode auf einen Blick, ob man alle relevanten Faktoren bedacht hat oder ob sich im Modell noch Schwachstellen verbergen.

 

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Vinylograph Detail (Schneidkopf, Diamantstichel, Vinylorohling) © Natascha Muhic

 

Was waren für dich persönlich die wichtigsten Erkenntnisse oder Erfahrungen, die du im Lab gemacht hast?

 

Die Zielgruppe, die wir mit unserem Marketing ansprechen, sind lokale wie internationale Künstlerinnen, Künstler und Musikschaffende. Vor allem Labels, Bands und die damit verbundenen Communities und Follower sind an Vinylograph-Aufnahmen interessiert. Zum einen entsteht vermehrt Nachfrage nach limitierten Sondereditionen und Kleinauflagen, zum anderen reizt die Möglichkeit der Direkt-Mitschnitte bei Konzerten. Das partizipatorische Image des Vinylographen wird dabei maßgeblich über die Musikschaffenden und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer generiert. Unsere eigentlichen Kunden, Veranstalter, Verleiher, Labels, Proberaumgemeinschaften etc. erfahren somit direkt von ihren Kunden von der Popularität und Nachfrage nach dem Vinylographen.

 

Im Rahmen des Creators Lab wurde ich von den Markt-Experten Fredrik Öst und Erik Kockum (SNASK), Codec (Pfadfinderei) und Pascal Dulex (FREITAG) ermutigt, diese Strategie weiterzuverfolgen und das macht Mut! Das Kapital des Vinylographen liegt in der Teilhabe der Künstlerinnen und Künstler und ihres Publikums. Word-of-Mouth-Kommunikation ist das zentrale Marketingprinzip des Vinylographen.

 

Welche drei Empfehlungen aus dem Workshop würdest Du Gründerinnen und Jungunternehmern mitgeben?

 

  1. Visualisiert das Geschäftsmodell mit der Canvas Methode
  2. Don’t be afraid to be unconventional and provocative. Make enemies! (Fredrik Öst und Erik Kockum, SNASK)
  3. Brand yourself, damn it! (Fredrik Öst und Erik Kockum, SNASK)

 

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Vinylograph 2016 im Semperdepot © eSeL Lorenz Seidler

 

Du warst ja auch am Forward Festival. Wer hat dich dort am meisten inspiriert und warum?

 

Fredrik Öst & Erick Kockum von SNASK – sie inspirieren dazu, auch unkonventionelle Wege zu gehen.

 

Unternehmen:

Natascha Muhic

natascha.muhic@gmail.com

www.nataschamuhic.at

www.vinylograph.at

 

Das Creators Lab der Wirtschaftsagentur Wien fand in Kooperation mit der aws – austria wirtschaftsservice und im Rahmen des Forward Festival 2017 in Wien statt. Das nächste Creators Lab besteht aus zwei Modulen. Modul 1: Meet the Experts ermöglicht einen direkten Erfahrungsaustausch mit internationalen Expertinnen und Experten in kleinen Arbeitsgruppen, im Rahmen der VIENNA DESIGN WEEK am 30. September. Das Modul 2: Business Model Canvas am 23. Oktober unterstützt die Teilnehmenden, unter Anleitung und anhand der Methode der „Business Model Canvas“ an ihrem eigenen Geschäftsmodell zu arbeiten. Anmeldungen sind noch bis 18. September möglich. Weitere Infos findest du hier.